Natürlich, Journalisten sind keine Stenographen und im Print-Journalismus ist das sprachliche Glätten von Zitaten Alltag. Aber es ist schon faszinierend, wie deutlich bei verschiedenen Medien die wörtliche Wiedergabe eines offenbar sehr einprägsamen Zusammenstoßes zwischen dem Vater des toten NSU-Terroristen Uwe Mundlos und dem Vorsitzenden Richter Götzl im Detail voneinander abweicht.
Als Götzl ihn laut zurechtweist, wird Mundlos patzig und verlangt nicht nur als Doktor, sondern auch als Professor angeredet zu werden.
Mundlos nennt Götzl später auch noch „arrogant“, und im Ãœbrigen möchte er bitte mit „Herr Professor“ angesprochen werden. Götzl bleibt jedoch bei der Anrede „Herr Doktor Mundlos“.
„Sie könnten mich ruhig Professor Mundlos nennen.“ Götzls Reaktion: „Nein, ich nenne sie Doktor Mundlos, ich nenne Sie bei Ihrem Namen.“
„Sie müssen mich Professor Mundlos nennen.“ – „Nein, das muss ich nicht Herr Dr. Mundlos.“ – „Doch das müssen Sie, ich bin durchaus berechtigt, den Titel noch zu führen.“
Mundlos erbost: „Was fällt Ihnen ein, mich so anzugehen? Sie können mich ruhig Professor Mundlos nennen!“
„Ich nenne Sie Dr. Mundlos, das ist Ihr Name!“
Mundlos nennt Götzl später auch noch „arrogant“, und im Ãœbrigen möchte er bitte mit „Herr Professor“ angesprochen werden. Götzl bleibt jedoch bei der Anrede „Herr Doktor Mundlos“.
„Nennen Sie mich gefälligst Professor Mundlos.“ Götzl verweigert das, bleibt beim „Doktor“. Und wird prompt vom emeritierten Professor als arrogant bezeichnet.
Die Zeit geht auf diesen Teil des Wortwechsels gar nicht näher ein, die taz konzentriert sich auf den inhaltlichen Teil der Zeugenaussage.
Nachtrag
Das SZ-Magazin hat in Heft 1/2014 ein ausführliches Wortprotokoll großer Teile des Prozesses veröffentlicht. Die Szene darin: (gleiche Autoren wie sueddeutsche.de)
Götzl: Wieso haben Sie das nicht mit Ihrem Sohn besprochen?
Mundlos: Sie sind ein Klugsch…
Götzl: (Unterbricht.) Was fällt Ihnen ein! Mich so anzugehen! Noch einmal, und Sie müssen mit Ordnungsmitteln rechnen, Herr Doktor Mundlos.
Mundlos: Sie dürfen mich ruhig Professor nennen.
Am Rande: der Doktorgrad ist lediglich ein von der Hochschule verliehender akademischer Grad. Die Promotion ist eine Hochschulprüfung. nach deren Bestehen würdigt die Universität dieses mit der Verleihung des Doktorgrades. Der „Doktor“ ist damit nicht Teil des Namens, was BGH und BVerwG schon vor über 50 Jahren entschieden haben. Professor ist eine Amtsbezeichnung und damit ebenfalls nicht Teil des Namens. Es hätte also völlig gereicht die Anrede Herr M. zu verwenden. Nur wer keine Argumente hat, pocht auf das angebliche Recht mit Doktor oder Professor angesprochen zu werden.
Medienkritik gibt es auch bei heise.de
>>Diese kleine Presseschau verdeutlicht eines der großen Probleme, das den Fall NSU umgibt: Eine distanzierte, kritische Berichterstattung, die grundsätzlich das staatsoffizielle Narrativ hinterfragt, gibt es kaum. Kritische Auseinandersetzungen gibt es zwar durchaus, aber sie finden sich nahezu ausnahmslos außerhalb des medialen Mainstreams…Doch die journalistische Auseinandersetzung mit den Behauptungen von Vater Mundlos beschränken sich zu oft auf emotionale Charakterisierungen. Stattdessen werden Randerscheinungen ein prominenter Stellenwert in der Berichterstattung eingeräumt. Kaum ein Medium das nicht darüber berichtet, dass Mundlos einen Apfel vor sich auf den Tisch gelegt hat. Der Tagesspiegel geht gar ins Detail und berichtet, dass Mundlos mit „penibler Sorgfalt sein Tischchen vor sich ausgestattet hat, links eine Flasche Mineralwasser, davor ein weißer Plastikbecher, daneben auf einer Serviette ein roter, glänzender Apfel…“. <<
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155536
http://www.nsu-watch.info/